Beratungsschwerpunkte

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  • Qualitätsentwicklung
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  • Stressbewältigung
  • Karriereplanung
  • Fallbesprechung

Vergiftetes Klima schadet Firma und Gesundheit

 

Mit Supervision aus der beruflichen Krise

 

Von Marion Neesen

 

Salzkotten(WV). Es gibt Kollegen, die nerven. Es gibt Chefs, auf die Mitarbeiter gar nicht gut zu sprechen sind. Und es gibt Kunden oder auch Patienten, mit denen man einfach nicht klar kommt. Reibereien, Spannungen und ein vergiftetes Arbeitsklima sind heute in vielen Firmen und Betrieben keine Seltenheit. Die Arbeitnehmer reagieren unterschiedlich auf solche Situationen. Manche Menschen nehmen ihren ganzen Berufsärger mit nach Hause, können ihn kaum verarbeiten und kehren am nächsten Tag mit einem schlechten Gefühl im Magen an ihren Arbeitsplatz zurück. In all‘ diesen Fällen ist die Arbeit von Elisabeth Richter-Stein und ihren Berufskollegen gefragt. Die diplomierte Sozialpädagogin bietet Supervision als Ausweg aus der beruflichen Krise an. Dabei richtet sie nicht mit dem moralischen Zeigefinger oder gibt omnipotente Tips. Sie sieht sich nicht als >Seelendoktorin<  der Berufsgeschädigten, sondern versucht Mittlerin zu sein – als Außenstehende die Situation am Arbeitsplatz aus einem anderen Blickwinkel zu beleuchten.

 

Zwischenmenschliche Probleme am Arbeitsplatz – sei es mit Kollegen, dem Chef, Kunden oder Patienten – nehmen zu. Sie wirken sich auf Arbeitssituation und Gesundheit aus und sind mit fachlichem know-how oft nicht zu lösen. 'Wer täglich schon mit einer gewissen Antipathie zur Arbeit geht, erbringt auch weniger Leistung', so Elisabeth Richter-Stein. Diese arbeitsklimatischen Störungen können unterschiedliche Ursachen haben. Viele Männer kommen mit Frauen in gleichwertiger oder höhergestellter Position nicht klar, Mitstreiter sind >scharf< auf den Platz eines Kollegen, Kompetenzgerangel oder einfach ein >Sich-nicht-leiden-können< sind Auslöser von Sticheleien und Intrigen. Manchmal wird der seelische Druck so groß, daß Arbeitnehmer ernsthaft an Kündigung denken.

Persönliche Last – In sozialen Berufen, wie etwa bei der Arbeit mit psychisch Kranken, kann aber auch die Konfrontation mit den täglichen Schwierigkeiten und Einzelschicksalen zur persönlichen Last für den Arbeitnehmer werden. Daher ist Supervision in solchen Berufen schon lange nichts Neues mehr und mittlerweile zur Pflicht geworden. In Einzel-, Gruppen- oder Teamgesprächen werden Probleme verarbeitet, damit man wieder frei im Kopf ist. 'Zunehmend wird Supervision aber auch in der Wirtschaft, der Verwaltung, in Dienstleistungsunternehmen und auch in der Politik nachgefragt', weiß die Salzkottenerin. Supervision ist eine Beratungsmethode, die zur Sicherung und Verbesserung der Qualität beruflicher Arbeit eingesetzt wird. Ganz wichtig für Elisabeth Richter-Stein: sie muß freiwillig sein. Die 43jährige bietet drei Arten der Supervision an. Einzelgespräche, Gespräche in der Gruppe (sich fremde Teilnehmer) und Teamsupervision unter Kollegen mit oder ohne Chef. Während der ersten 15 Treffen geht es erst einmal um Tuchfühlung. Supervisanden probieren, ob sie frei sprechen und wieviel sie sagen können. Konkrete Situationen aus dem Berufsalltag werden beleuchtet. Dabei geht es um Fragen wie >Was bewegt mich zu einem bestimmten Verhalten<, >Was bewirkt mein Verhalten bei Kollegen, Mitarbeitern, Vorgesetzten oder Kunden< und >Welche Rolle habe ich in Bezug auf die Zielsetzung der Institution<.

Der Chef sei bei solchen Gesprächen häufig ein Thema, hat Elisabeth Richter-Stein erfahren. 'Ich habe dabei Schweigepflicht', betont die 43jährige, so daß niemand Angst haben muß, hintenherum komme beim Vorgesetzten etwas an. Die Supervisanden streben durch gemeinsames Suchen ein Verstehen und Verändern der Konfliktsituation an. 'Dabei kommt auch schon 'mal heraus, daß jemand wirklich das schwarze Schaf der Firma ist. Oder andere haben die Probleme bereits erkannt und suchen nach einer endgültigen Bestätigung für eine Kündigung', so die Supervisorin.

Am Ende der Sitzungen müssen sich nicht alle furchtbar gern haben, sondern mehr Verständnis füreinander aufbringen. Oftmals lernen sich die Teilnehmer einfach besser kennen. Der Arbeit und dem Erfolg einer Firma oder Institution kommt es zugute. Die Kosten für eine Supervision werden in manchen Fällen vom Arbeitgeber übernommen, die Einzelsupervisionen werden meist aus eigener Tasche bezahlt.

Bevor sich Elisabeth Richter-Stein als Supervisorin selbständig machte, war sie 17 Jahre lang in unterschiedlichen Einrichtungen der vor- und nebenschulischen Erziehung mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen tätig. Weil sie schon immer ein Gespür für menschliches Verhalten hatte und oft auch im Bekanntenkreis als >Kummerkasten< diente, sah die Diplom-Sozialpädagogin in der Supervision ein für sie geeignetes Berufsfeld. Ein abgeschlossenes Hochschulstudium im sozialen Bereich war Voraussetzung für die Weiterbildung, die Elisabeth Richter-Stein im April des vergangenen Jahres nach zweieinhalb Jahren abschloß. Mit Hilfe ihres Ehemannes konnte die Mutter von mittlerweile zwei Kindern Beruf und Familie gut vereinen. Und auch jetzt >jongliert< die Familie gekonnt mit der Zeit. Elisabeth Richter-Stein bietet maximal zwei Sitzungen pro Tag an, dann stehen die Kinder wieder im Mittelpunkt. 'Das läßt sich alles aber gut vereinbaren und viele Kunden haben Verständnis dafür', so die Salzkottenerin, die ihre Arbeit zunächst zu Hause, jetzt aber im Hederpark anbietet. Und um Aufträge muß sich die 43jährige auch keine Sorgen machen: 'Die Konkurrenz ist zwar groß, aber die Nachfrage steigt.' Und solange der letzte Kollege noch nicht zur Einsicht gekommen ist, wird Frau Richter-Stein auch nicht arbeitslos.

 

Artikel vom 01.09.1998

Westfälisches Volksblatt